Ursprung der Teppichknüpfkunst, Iran
Javad Parsay
Bis in die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts galt die vorherrschende Lehrmeinung, geknüpfte Teppiche hätten sich aus einfachen nomadischen Verhältnissen etwa um die Zeit Christi Geburt entwickelt. Die bis dahin ältesten bekannten Funde stammten aus dem 3. bis 6. Jahrhundert n. Chr. und wurde von Sir Aurel Stein und der deutschen Turfanexpedition in den Städten der beiden ostturkestanischen Züge der großen Seidenstraße entdeckt (Die Expedition fand in den Jahren 1913 – 1915 in der Gegend der Oase Turfan und Lou-Lan, heute in der chinesischen Provinz Sinkiang Uighur, statt). Man nimmt an, dass sich die Kunst des Teppichknüpfens ursprünglich als Weiterentwicklung der Webtechnik mit dem Ziel entwickelt hat, Fellähnliche Strukturen zu erzielen und somit Gewebe herstellen zu können, die sich besser zur Isolierung auf kaltem Untergrund eignen.
Zwischen diesen Fragmenten und den ältesten aus Vorderasien erhaltenen Teppichen klafft eine Lücke von mehr als 600 Jahren.
Auch die Analyse literarischer Quellen konnte kein vollständigeres Bild herstellen. So stammen die ersten Berichte arabischer und persischer Autoren aus dem 8. bis 14. Jahrhundert und geben darüber hinaus wenig Informationen über Aussehen und Technik.

Griechische Quellen berichten von den „weichen Teppichen“ der Babylonier und Perser, machen aber ebenfalls keine Aussagen über Aussehen und Machart der zitierten Arbeiten. Somit blieb die Deutung solcher Quellen der Phantasie überlassen.
Dies änderte sich jedoch schlagartig, als ein solcher Teppich 1949 im Pazyryk Tal im Altai Gebirge von einem russischer Forscher (Prof. S. Rudenko) gefunden wurde. Das Stück konnte auf das 5. Jahrhundert vor Christus datiert werden und war als Grabbeigabe eines skythischen Königs in dessen Grab gefunden worden. Die Meinungen über die genaue Herkunft des Teppichs gehen weit auseinander.
Das Stück weist eine Feinheit von 360.000 symmetrischen Knoten pro Quadratmeter bei einer ursprünglichen Gesamtgröße von ca. 183 x 198 cm auf und zweigt auf umlaufenden Friesen Hirsche und Reiter, im Innenfeld hingegen kreuzähnliche Ornamente.
Aus diesen Erläuterungen ergeben sich nun vor allem zwei Fragen: Wurde die Orientalische Knüpftechnik zweimal entdeckt?
Welche Entwicklungszeit ging der hohen technischen Perfektion des Pazyryk-Teppichs voraus?

- Senneh-Knoten (von oben) Senneh-Knoten (von vorn)
- Ghiordes-Knoten (von vorn)
- Ghiordes-Knoten (von oben)
- Senneh-Knoten (von vorn)
- Grundgewebe mit Kette, zwei Schüssen und Senneh-Knoten
Die erste Frage bleibt zunächst offen und ist in Zukunft wohl nur durch weitere archäologische Forschung zu beantworten. Zur zweiten Frage kann man sagen, dass es eine Entwicklungszeit von vermutlich mehreren hundert Jahren gegeben haben muss, um den hohen Standard des Pazyryk zu erreichen.
Der Pazyryk-Teppich gilt bis heute als der älteste geknüpfte Teppich der Welt und ist in der Eremitage in St. Petersburg ausgestellt.
Heutige museale Teppiche
Orientteppiche waren im 15., 16. und 17. Jahrhundert in Europa leidenschaftlich begehrt, galten als unerlässlich für die Repräsentation von Höfen und Kirchen. Nachdem sie im 18. und frühen 19. Jahrhundert fast völlig in Vergessenheit geraten waren, kann als Begründer des modernen Interesses an der Kunst- und Kulturgeschichte des handgeknüpften Orientteppichs, der berühmte Berliner Sammler und Kunstkenner Wilhelm von Bode gelten.

Die Hauptinstrumente der Datierung und Forschung sind also bis heute, neben naturwissenschaftlichen Methoden, zum einen die Wiedergabe von Teppichen auf orientalischen und abendländischen Bildern, zum anderen schriftliche Überlieferungen, z. B. in Nachlass-Inventaren und Reisebeschreibungen und, nicht zuletzt, die erhaltenen Stücke selbst, sofern sie, was selten vorkommt, verlässlich erscheinende Datierungen tragen.
Neben den genannten Museen in Berlin seien dem Teppichliebhaber und Interessenten vor allem das Metropolitan-Museum in New York, das Viktoria and Albert Museum in London, das Museum für Kunsthandwerk in Wien und das Teppichmuseum in Teheran mit der größten Sammlung Persischer Teppiche, zum Besuch empfohlen.
Die frühesten heute noch vorhandenen persischen Teppiche stammen aus dem 16. Jahrhundert. Auf persischen Miniaturen sind aber bereits seit dem 14. Jahrhundert Darstellungen bekannt. Der persische Teppich dieser Zeit war durchweg geometrisch gemustert, meist mit kleinteilig geometrischem Muster (kreuz- oder sternförmig) und mit kufischer Bordüre.
Die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert brachte spürbare Veränderungen mit sich: Jetzt dominieren Ranken und Medaillons die Zeichnung, ausgeprägt florale Muster entstehen.
Einer der Höhepunkte der persischen Knüpfkunst wurde währen der Herrschaft der Safaviden (1502 – 1722), allen voran Shah-Abbas dem Großen (1587 – 1629), erreicht. Aus dieser Zeit sind einige berühmte Teppichgattungen, unter der Namen, die Polenteppiche, heute in Museen anzutreffen.
Ein besonders erwähnenswertes Stück stellt in diesem Zusammenhang ohne Zweifel der sogenannte „Ardebil-Teppich“ dar. Er ist einer der bedeutendsten persischen Teppiche des 16. Jahrhunderts und wurde unter Shah Tamasp I. angefertigt. Er ist 11,50 x 5,34 m groß, misst also 61,5 m² und besteht aus 32.000.000 Knoten. Er trägt die Inschrift: „Außer deiner Schwelle bin ich in der Welt hier ohne Zufluchtsort. Meinem Haupt ist außer dieser Schwelle auch kein Anvertrauungsort. Verfertigt von dem Knecht der Schwelle Maqsud Kaschani im Jahre 946 (1539/40)“.
Der Ardebil-Teppich ist heute im Victoria and Albert Museum in London ausgestellt. Andere berühmte Prachtteppiche dieser Zeit sind z. B. der „Chelsea“, ebenfalls in London zu sehen, oder der „Mailänder Jagdteppich“ im Poldi Pezzoli Museum in Mailand.
Die Vielfalt der persischen Produktion des 16., 17., 18. und 19. Jahrhunderts zu beschreiben ist nahezu unmöglich. Von den klassischen Herat- zu den opulenten Polenteppichen, von den strengen nordwestpersischen Baumteppichen über die phantastischen Gartenteppiche bis hin zu den geheimnisvoll leuchtenden Farahan, von den Vasenteppichen aus Kerman bis zu den fein gezeichneten Senneh: Jede Provenienz ist individuell faszinierend und begeistert immer wieder aufs neue.
Knüpftechnik
Dem eigentlichen Vorgang des Teppichknüpfens geht zunächst die Erstellung eines geeigneten Knüpfrahmens, auch Knüpfstuhl oder Knüpfbaum genannt, voraus. Die Knüpfrahmen werden in der Regel aus Holz hergestellt und bestehen im Einzelnen aus dem oberen Querbaum, dem Kettbaum und dem unteren Querbaum, auch Zeugbaum genannt, die mit vertikalen Stützen verbunden sind. Zwischen den Querbäumen werden die Kettfäden gespannt. Als Material für die Kettfäden wird in den meisten Fällen Baumwolle, aber gelegentlich auch Wolle, Ziegenhaar oder Seide verwendet. Nun wird das Webfach durch zwei Querstäbe gebildet, die beweglich angebracht werden, damit man sie nachstellen kann. Das Grundgeweben entsteht durch das Einbringen eines oder mehrerer Schussfäden nach jeder Knotenreihe.
Der Knüpfrahmen kann entweder aufrecht stehend, oder auf dem Boden liegend verwendet werden. Während seine Breite jeweils der Breite des entstehenden Teppichs angepasst werden muss, ist die Höhe des
Knüpfrahmens von den Ausmaßen des Teppichs weniger abhängig, da das bereits fertige Teil des Teppichs in Abständen immer wieder auf dem Zeugbaum aufgewickelt werden kann.

Der Flor des Teppichs wird durch das Eintragen von Knoten in Horizontalreihen zwischen die Kettfäden erzeugt. Technisch betrachtet handelt es sich jedoch weniger um Knoten, sondern eher um festgezogene Schlingen. Die Knoten werden in der Regel um zwei, in Ausnahmefällen aber auch um vier Kettfäden geknüpft. Am häufigsten werden dabei der sogenannte Persische Knoten (auch Senneh-Knoten, asymmetrischer Knoten) oder der Türkische Knoten (auch Ghiordes-Knoten, symmetrischer Knoten) verwendet: Zum Knüpfen eines Knotens wird ein Faden in der entsprechenden Farbe gewählt. Nachdem der Knoten mit der Hand, oder einem dafür geeigneten Instrument, ähnlich einer Häkelnadel, gebildet wurde, wird er mit einem Messer abgeschnitten. Wenn die Schussfäden nach einer fertigen Horizontalreihe eingetragen wurden, wird das Gewebe mit einem Kammartigen Instrument festgeklopft.

Neben diesen weit verbreiteten, gibt es noch eine Reihe von seltener verwendeten Knoten, die jedoch meist nur Varianten der Erstgenannten sind. Insbesondere sind hier der Spanische- sowie der Tibetische Knoten zu nennen, die allerdings beide heute nicht mehr verwendet werden, sondern nur bei musealen Stücken vorkommen. Für den Flor von Teppichen verwendet man in der Regel Wolle, seltener aber auch Seide oder Ziegenhaar. Den oberen und unteren Abschluss der fertigen Knüpfarbeit bilden meist einige Reihen von fest verwebten Schussfäden (Kelim), oder ein entsprechender Sicherungsfaden. Beide Varianten haben die Aufgabe, das Ablösen der Knoten vom Gewebe zu verhindern. Die durchlaufenden Kettfäden sind schließlich als Fransen an den Schmalseiten sichtbar.
Die seitlichen Abschlüsse nennt man hingegen Schirasi. Sie bilden die Randbefestigung an den Längsseiten der Teppiche. Die Schirasi entsteht durch umwickeln der Kanten mit Wolle, Seide oder Baumwolle, je nach Teppichart und Provenienz ein- oder mehrfarbig. Grundgewebe mit Kette, zwei Schüssen und Senneh-Knoten
Der letzte Arbeitsschritt besteht im Scheren und Waschen des fertigen Stückes. Das Scheren erfolgt meist mit Florscheren von Hand, die Wäsche wird mit klarem Wasser ausgeführt, wenn es sich um eine reine Reinigungswäsche handelt. Soll der Teppich einen seidigeren Glanz und Griff erhalten, werden in neuerer Zeit auch sogenannte Antik- oder Veredelungswäschen mit Zusatz von Chemikalien durchgeführt.